Freitagnachmittag, Rita Hendes, Trainerin der thailändischen Rudernationalmannschaft, kommt lachend und gut gelaunt in das Bootshaus des Breisacher Rudervereins. Bis 20. März hat die sportbegeisterte Gymnasiallehrerin im Motorboot ihre zwei Doppelzweier und drei Einer im Breisacher Ruderreviert gecoacht und trainiert. Selbst nie aktive Ruderin gewesen, übernahm Rita in den 80er Jahren als Trainerin das Schulrudern auf dem Alsterkanal bei dem Hamburger Ruderverein an den Teichwiesen. Und das ziemlich erfolgreich, wenn man die zahlreichen internationalen Starts ihrer betreuten Schülerinnen und Schüler anschaut. Rita hatte sofort zugestimmt, als ich nach einem Interview mit ihr gefragt habe. Seit dem 23. Februar trainiert die gebürtige Hamburgerin mit einer siebenköpfigen Delegation aus Thailand auf dem stillgelegten Rheinarm, eigentlich für die Qualifikation zu den olympischen Spielen in Tokyo, welche nun wegen Covid-19 auf 2021 verlegt wurden. „Warum Breisach?“ frage ich und bekomme zur Antwort, dass sie Breisach und das Ruderrevier sehr gut kennt und auch des Öfteren schon hier im Trainingslager war – damals, mit dem deutschen Leichtgewichts-Nationalteam. Sie kann sich aber auch noch gut an die Juniorenregatten in den 80er Jahren erinnern, als diese noch in Breisach stattgefunden haben. Der Südwesten lockt außerdem mit überwiegend gutem und warmem Wetter – vorallen zu dieser Jahreszeit. Durch die jahrzehntelange Freundschaft zu unserem ehemaligen Sportvorstand Roland Fastnacht, hat sie noch immer guten Kontakt, sowie zu dem Landesruderverband Baden-Württemberg. Aus dem Boots-Fundus des LRVBW konnte sich Rita mit zwei Einern behelfen, die restlichen Boote hatte sie bereits mit Hänger aus ihrem Heimatverein, der Rudergesellschaft Hansa Hamburg, mitgebracht. Ihr Team besteht aus vier Frauen und drei Männern. Mit dabei ist auch die mittlerweile 46jährige Phuttaraksa (Pat) Neegree. Mit ihrer Teilnahme an insgesamt vier olympischen Spielen ist Pat in Südostasien sehr bekannt und regelrecht eine „Institution“, O-Ton Rita. Seit sechs Jahren trainiert sie nun schon das thailändische Team. Und das eher aus einer Laune heraus. Pat hatte damals im Jahr 2013 einen deutschen Trainer, der wiederrum Rita kontaktiert hatte, als die Trainerstelle für das Thai-Nationalteam frei wurde. Rita erinnert sich noch gut daran, wie sie sich spontan während eines gemütlichen Grillabends mit der Familie dafür entschieden hat, sich das Ganze mal „anzuschauen“. „Zuerst einmal nur für zwei Monate und auch erstmal schauen, was ich überhaupt tun kann“, erzählt die ehemalige deutsche U23-Nationaltrainerin. Aus den zwei Monaten wurden mittlerweile sechs Jahre. Gerudert wird auf einem Stausee bei Khlong Phai in der Region Nakhon Ratchasima, rund 180 Kilometer nordöstlich von Bangkok. Ein Naturschutzgebiet, was die Ruderer lediglich mit ein paar Fischerbooten teilen. Die Athletinnen und Athleten im Alter von 19 bis 46 Jahren wohnen dort in einem Camp. Drei der Sportler sind bei der Navy, die restlichen vier Sportler studieren noch. Das große Ziel war der Start bei den Weltcups in Sabaudia und Varese, nachdem schon die erste Qualifikation in Seoul, Korea, abgesagt wurde. Ausserdem stand noch die Vorqualifikation in schweizerisches Luzern im Mai auf dem Plan. Covid-19 und die reihenweisen Absagen der Großveranstaltungen haben auch hier der Mannschaft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mittlerweile befindet sich das Team gesund und sicher wieder in Bangkok. Die Einladung, für Olympia 2021 erneut in Breisach zu trainieren, steht. Was ich in meinem sehr interessanten Gespräch mit Rita heraushöre ist, dass Rudern für sie eine große Leidenschaft darstellt. „Das Rudern verkörpert Werte, für die ich stehe“, sagt sie. „Bildung und Erziehung gehen mit Disziplin einher. Im Rudersport kann das Unmögliche machbar gemacht werden, auch wenn nicht alle Voraussetzungen vorhanden sind. Und das ist auch der Grund, warum ich überhaupt als Trainerin arbeite.“ Rita ist davon überzeugt, dass man es schaffen und erfolgreich sein kann – wenn man nur will und die Herausforderung, an seinen Aufgaben zu wachsen, annimmt. Wichtig dabei war ihr immer die Vertrauensbasis zu ihren Schützlingen. „Wenn gegenseitiges Vertrauen da ist, aber auch Vertrauen in sich selbst, dann ist so viel mehr möglich“, sagt sie und lächelt. Das war und ist ihre Devise und auch ihr Erfolgsrezept. So manch Sportler, wie der aktuelle Schlagmann im Deutschlandachter, Hannes Ocik, und sein Ruderkamerad Thorben Johannesen, werden sich noch an ihre kreativen Trainingsmethoden mit „rudern nach Farben“ oder diverse Atemübungen erinnern.
Viel Erfolg, liebe Rita – auch wenn du für Olympia 2021 nicht mehr als thailändische Trainerin dabei sein wirst. Dich zieht es als Hamburger Deern wieder langfristig nach Deutschland in die Heimat zurück. Hierfür alles Gute, auch für deine Mannschaft. Bleibt gesund und bis ganz bald! Kerstin Robisch