24. Gemeinschaftsfahrt Breisacher Ruderverein und ARC Berlin vom 26.8. bis 2.9.2023
Man kennt sich, kann sich lange, man kennt sich gut. Das waren meine Gedanken als wir nach Umwegen mit unseren schweren Taschen und Koffern Martina, Ralf, Andreas, Wolfgang A. und die anderen in unserem Hotel „Head of the River“ in Oxford trafen. Es war, als ob wir uns erst gestern gesehen hätten. In der Tat ist unsere Beziehung intensiv, denn wir machen seit Jahren zusammen Wanderfahrten. Die Organisation wechselt jährlich. In diesem Jahr auf der Themse, was Martina ein besonders Anliegen war, aber darauf kommen wir noch. Das geht schon 22 Jahre so, wohl einmalig im Deutschen Ruderverband. Am Anfang stand die Liebe von Wolf-Herwig zum Kaiserstuhl und sein Wunsch, in Breisach zu rudern. Das Zusammentreffen mit Roland war unvermeidlich, und die Idee der gemeinsamen Wanderfahrten wurde geboren. Es blieb nicht bei der Idee, es wurden mehr als 20 Jahre. Die erste Generation ist heute teilweise ausgeschieden. Das Alter forderte seinen Tribut, junge sind dazu gekommen und so kann es weitergehen.
Warum ausgerechnet ich den Bericht über die diesjährige Wanderfahrt schreibe hat seinen Grund darin, dass nach der diesbezüglichen Frage von Martina am ersten Abend ein betretenes Schweigen folgte. Nun bin ich davon überzeugt, dass jeder gern den Bericht geschrieben hätte, sich jedoch vornehm zurückhielt. Ich bin nicht so zurückhaltend und sagte ja. Da hatte ich die Torte im Gesicht; sei‘s drum.
Zu den Fakten für die Statistik
Die Teilnehmer: Vom ARC: Martina Jarius-Kornhuber, Ralf Kornhuber, Wolfgang Augustin, Harald Krebs, Andreas Hinner, Elena Kammerer; Katrin Kulkowski, Nike Bernhardt, Marlen Suckau, Thea Klee
Vom BRV: Marlies Zimmer-Petri, Siegrit Böker Roland Fassnacht, Otto Mali, Wolfgang Michalke, Michael Fischer, Peter Widdess, Helmut Schaaff
Die Strecke: 126 km mit 27 Schleusen
Die Stationen: Oxford, Abingdon, Goring Gap, Henley, Winsor/Eton, Weybridge
Die Pausen: Falcon Rowing & Canoeing Club, Wallingford Rowing Club, The Boathouse Reading, Crowne Plaza Reading, Bisham Abbey National Sports Centre, The Runnymede on Thames Hotel
Meine Eindrücke
Die Themse
Der Star Nummer eins der Tour war die Themse. Ein toller Fluss zum Wanderrudern. Es war, als ob wir uns von einem englischen Garten in den anderen bewegten. Von Natur aus ist die Themse ein kleiner Fluss, vergleichbar vielleicht mit der Lahn bei uns. Sie wurde durch eine Vielzahl von Schleusen für den Transport hauptsächlich von Kohle im 18. bzw. 19. Jahrhundert für die „longboats“ schiffbar gemacht, die schmalen langen Kähne, die heute noch viel als Wohnboote verwendet werden. Eine kommerzielle Schifffahrt gibt es auf der Themse nicht mehr.
Wir hatten großes Glück mit den Wetter: zwar etwas kühl aber wenig Wind und lediglich zweimal kurzen Nieselregen; sehr ungewöhnlich für England. An das Schleusen hatten wir uns nach anfänglicher Hektik und Geschrei schnell gewöhnt und schließlich mit Routine bewältigt, zumal uns das sehr freundliche Personal geholfen hat. Überhaupt haben wir sehr viel Freundlichkeit erlebt. Drei Scheiben zum Abschneiden!
Beeindruckend waren für uns die vielen Rudervereine an denen wir vorbeigerudert sind. Ich glaube, die Themse ist der Fluss mit der größten Rudervereinsdichte überhaupt. Überall sahen wir Regale voller Rennboote, zumeist im Freien. Fünf Rennachter für einen kleinen Verein ist nichts Besonderes. Beeindruckend war das Training von Jungen und Mädchen. Das war professionell und engagiert. Hier wachsen die Olympiasieger von morgen nach. Jeder deutsche Verein wäre happy so eine Jungend zu haben.
Oxford
Star Nummer zwei war die Stadt Oxford. Eine beeindruckende Stadt, very british. Die Tradition ist überall gegenwärtig. Die Stadt ist einmalig in der Welt und selbst eine Reise wert. Unser erstes Hotel war gut gewählt mitten drin. Wir blieben dort drei Nächte und konnten dadurch alles auf uns wirken lassen. Besonders eindrucksvoll war der anglikanische Gottesdienst mit Chorgesang in der Christchurch, in den uns Peter führte. In England muss man natürlich auch in ein indisches Restaurant gehen. Wir waren in zweien. Im ersten war es so laut, dass ich dachte, ich wäre in einem bayerischen Bierzelt. Merke: Auch Britten können laut sein. Bestellt habe ich jeweils etwas anderes, aber geschmeckt hat jedes Mal gut, aber gleich.
Das Rudern
Wanderrudern ist nun mal kein Rennrudern, aber dennoch kann man es gut oder schlecht betreiben. Das ist eine triviale Aussage, jedoch gemessen an dem, was ich bei Wanderfahrten schon als Rudern erlebt habe, find ich es bemerkenswert, dass mir das Rudern dieses Mal gefallen hat. Ich hatte auf Schlag fast immer ein gutes Gefühl. Dabei ist mir wurscht, ob es auch von außen gut aussah. Der Schlag wurde aufgenommen und manchmal lief das Boot richtig gut. Was will man mehr. Besten Dank dafür. Unsere geliehenen Boote waren übrigens in einem guten Zustand und haben ein gutes Rudern ermöglicht.
Henley
Beeindruckt hat uns natürlich das Mekka des Ruderns: Henley. Noble Klubs riesige gepflegt Anlagen. Very british, sehr vornehm und ein Anflug von Dekadenz. Viel Ruderbetrieb von Alt und Jung war zu beobachten – alle in Rennbooten. C-Boote sieht man kaum. Unsere C-Boote waren die Ausnahme. Wanderrudern ist kein Thema in England. Sie haben wegen der geringeren Landmasse nicht die Auswahl an Flüssen, wie wir in Europa, wie ein Brite sagen würde. Ein freundlicher älterer Herr hat mir in Henley erzählt, dass sein Sohn bei der Olympiade in China im Rudern eine Silbermedaille gewonnen hat und danach nicht mehr ins Boot gestiegen ist. Ein Breitensportrudern wie bei uns gibt es in England also noch nicht so verbreitet; eigentlich schade. John Turnball von den Weyfarers führt in England das Wanderrudern ein. Leaders in Recreational and Touring Rowing steht auf Ihrer Internetseite www.weyfarers.org.uk
Henley Memorial Sprint
Zu Ehren von Henley haben wir einen kleinen Sprint hingelegt. Ein Rennen will ich es nicht nennen, denn es war ziemlich kümmerlich. Es wurde zwar viel über den Pokal geredet, aber die Durchführung war nicht gut. Roland hat dann noch auf dem letzten Teilstück der Regattastrecke den Sprint improvisiert. Leider konnte ich nicht mitpumpen, da ich am Steuer saß. Knapper Überraschungssieger war das Team von Peter mit drei Berliner Damen im Rücken. Der Pokal ging nach Berlin – Gratulation.
Ein Schmankerl für die Breisacher
Während unseres Aufenthalts in Winsor übernachteten die Boote im „The Windsor Boys’ School“ neben dem „Eton Excelsior Rowing Club“, die schon öfters bei uns in Breisach zum Training waren. Zu unserer Überraschung fanden wir dort den Wegweiser „ Breisach 706 km“.
Leider war niemand vom Klub da und so habe ich einen Wimpel von unserem Verein mit einem entsprechenden Vermerk an den Pfeil gehängt. Ich hoffe, sie freuen sich darüber.
Lokale und Zahlen mit Karte
Zu den Eindrücken gehören auch noch die Erfahrungen in den Lokalen. Ich werde mich in meinem Leben nicht daran gewöhnen, in einem Lokal an den Tresen zu gehen, um mir mein Bier selbst abzuholen und dann dort gleich zu zahlen und zwar nur mit Karte. Oder noch besser: Die Bestellung des Essen erfolgt auch am Tresen und muss sofort bezahlt werden. Der Hinweis, dass das nur in der Bar so ist, beruhigt mein Gemüt nicht. Andere Länder, andere Sitten, o.k., aber bei uns brauche ich das nicht. Das mit dem Kartenzahlen gab uns einen Eindruck in etwas, das wahrscheinlich auch bald bei uns Einzug halten wird. Ja, Deutschland liegt weit zurück in der IT-Anwendung. Aber alles nur mit Karte zahlen, wie es in den nordischen Ländern praktiziert wird? Ist das Fortschritt? Vielleicht bin ich zu alt.
Die Preise
Ganz schön saftig. Ein Bier ca. 0.4l um die 7 bis 8 €. Fish and Chips ca. 14 bis 17€ , sonstige Gericht ca. 20 bis 25€. England ist schön, aber teuer.
Die Planung
Nun muss ich noch ein paar Worte über die Planung der Wanderfahrt verlieren. Eines voraus: Was sich Martina da angetan hat, ist kaum in Worte zu fassen: Mega oder Giga. Ihre Motivation ist zu bewundern und resultiert wohl aus dem oben erwähnten Traum. Wir alle hatten den Gewinn davon, und ich habe keinen Teilnehmer erlebt, der nicht begeistert war. Danke Martina! Erwähnen möchte ich auch Peter, der als Engländer als Transformator – ich sage bewusst Transformator und nicht Translator – im Dialog zwischen verschiedenen Mentalitäten einen wertvollen Dienst leistete. Ich kann mir die Fragezeichen in den Köpfen der englischen Klubleute gut vorstellen. Was wollt ihr, Wanderrudern? Was ist das? Durch Reinhard Engelmann (DRV) wurde Martina Unterstützt durch das Kartenmaterial und Erfahrungsberichte und von John Turnball von den Weyfarers wurden wir sehr unterstützt durch Bootsausleihe, Bootstransport und Schleusenkarten.
Die Durchführung
Und jetzt kommt auch noch die Durchführung. Man könnte es als einen Versuch bezeichnen, das Chaos zu beherrschen. Weil nicht alle Platz im Bus hatten, musste gependelt werden. Mal zwischen Liegestelle der Boote und Hotel, mal zwischen Liegestelle und dem nächsten Bahnhof. Bus- und Bahnverbindungen mussten ausgesucht werden. Es war verdammt kompliziert und stressig, eigentlich zu viel. Wolfgang A. ist zu verdanken, dass wir es geschafft haben. Er hat das Unmögliche möglich gemacht. Ich muss in diesem Zusammenhang auch noch unsere aufopfernde Fahrerinnen erwähnen. Sie kamen wirklich dran. Viele Dank wieder an Martina aber auch an Marlis und Katrin.
Zum Rückflug nach Basel
Für die Breisacher war der Rückflug, bzw. das Warten auf denselben, ein besonderes Erlebnis. Die Fahrt zum Flughafen Gatwick war in einer guten Stunde erledigt, aber von der Ankunft am Flughafen bis zum Abheben des Fliegers vergingen 5 Stunden. Da war Geduld gefragt.
Am Schluss noch etwas Wasser in den Wein
Corona hatte sich bei uns eingeschlichen, und Wolfgang A. und Peter hat es erwischt, zum Glück kein schwerer Verlauf. Das war dennoch nicht so gut. Gute Besserung!
Das waren meine Eindrücke. Ihre Lektüre wird bei euch hoffentlich die Erinnerung an ein schönes Erlebnis auffrischen. Dieses Mal war es etwas nüchterner, als ihr es von mir gewohnt seid; nicht so gewaltsam lustig und durchgeknallt wie früher. Ich hoffe es gefällt euch dennoch.
Euer Helmut